Donnerstag, 31. Januar 2008

Lost in space and lost in time.

Vor ein paar Minuten habe ich in meinem Schreibtisch etwas gefunden… ein angefangenes Stück Scoobi-doo. Oder so. Also diese bunten Plastik-Spagetti, die vor drei oder vier oder sieben Jahren mal furchtbar aktuell waren, und aus denen man allerlei überflüssiges Zeug basteln konnte.
Schlüsselanhänger aus diesem Material sind immer noch an dem ein oder anderen Bund befestigt.
Ich weiß noch, dass ich dieses Geschnüre und Geschlinge im Schlaf und mit auf den Rücken gebundenen Händen beherrscht habe.

So eine Art Makramee, nur öko-feindlicher.
Direkte Vorgänger waren Freundschaftsbändchen, die Nachfolger vermutlich Indianerperlen-Basteleien.
Die flüssige Variante nannte man Window-Colours.
Ich habe in insgesamt 3 Wohnungen versucht, die von kreischflitterbunten Symbolen verfärbten Fliesen wieder sauberzukriegen, Hinterlassenschaften von Vormietern mit wenig Geduld beim Abkratzen und noch viel weniger Geschmack. Man stelle sich das vor: Ein schweinerosa gekacheltes Bad, der Boden dunkelgrün-braun-schlierig gefliest, und dazu dunkelviolette Schmetterlinge, mit Glitter. An der Wand, in der Wanne, überall.
In der Wohnung davor pappte das Zeug am Fliesenspiegel in der Küche, und in meiner jetzigen an den Fenstern in Küche, Arbeitszimmer und an der Balkontür. Es scheint, dass die Dinger, direkt und ohne Folie angebracht, eine Art Verbindung mit dem Untergrund eingehen, der nicht nur Haftung ist. Für die Entfernung auf den Fenstern habe ich einen Ceranfeld-Kratzer gebraucht, alles andere hätte Kratzer auf der Scheibe hinterlassen.

Jedenfalls ist dieser Hype abgeflaut, man kriegt keine Window-Colours mehr an der Tankstelle und am Kiosk.
Ebenso keine Scoobi-doos. Letztere kamen in gewissen Kreisen ins Gerede, angeblich wegen hoher Anteile an Weichmachern.

Und machen wir uns nichts vor: Trendbasteleien und Spielzeug-Must-haves gab es schon in den Sechzigerjahren. Als ich ein Kind war, ungefähr 6 oder 7, MUSSTE man ein Kullertränchen haben. Das war eine blonde, geschlechtsneutrale Babypuppe, mit einer Art Dauerwelle auf dem Kopf, die man „füttern“ konnte. Dazu schob man ihr ein mit Wasser gefülltes Fläschchen in das Mäulchen und spritzte die Flüssigkeit in die Puppe. Dann konnte man den linken Arm der Puppe herunterdrücken, eine Mechanik verzog das Gesicht zu einem weinenden Frätzchen und es stiegen „Tränen“ in die Augen- außerdem nässte das Püppchen dann ein. Funktionierte nicht allzu oft. Meist verlor man zuerst das Fläschchen, und dann verlor die Puppe die Dichtigkeit und pinkelte nicht mehr, sondern leckte aus allen Gelenken.

Später war es dann eine kleine Schwester der Barbie, die Biggi-Puppe, die unbedingt nötig war. Die hatte biegsame Knie und so was- eine Neuheit. Der Hammer.
Ich hatte es nie so mit Puppen. Die kriegten meist recht schnell eine neue Frisur und ein Dauer-Makeup aus Filzstift, und das wars dann.

Die Ohne-geht’s-nicht-Zopfspangen meiner Kindheit waren runde Kugeln, zwei an einem Gummiband. Weil ich seit meiner Geburt kurze Haare habe, hab ich sie nie tragen können.
Aber ich war neidisch, mein lieber Herr Gesangverein.

Auf dem Schulhof schlug man sich mit zwei schweren Plastikkugeln die Handgelenke blau… Ich hab nie gewusst, wie die Dinger heißen, aber man ließ die beiden Kugeln an einem Band mit einem kleinen Griff in der Mitte zusammenprallen, immer schneller, bis sie oben und unten zusammenschlugen.
Heutzutage wären die schneller verboten als ein Ego-Shooter. Es gibt sie wieder, aber mit nicht ganz so schweren Kugeln und nicht ganz so langen Bändern.

Das war in den Siebzigern, und während wir einander schwere Kugeln an Kordeln hinterher warfen, knoteten unsere Mütter farbiges Packband zu mehr oder minder eindrucksvollen Gehängen für Blumenampeln, Wandbehänge oder sonstigem Gezumpel.
Oder sie knüpften Teppiche. Damals verstand man unter „Berber“ noch was anderes als heutzutage.
Besonders kunstvolle Exemplare hingen an der Wand, hatten abstrakte Muster in beißenden Farben, und aus ihnen wuchsen lange, schlingpflanzengleiche Makrameegeflechte. Und braune, dicke Holzperlen, die manchmal auch orangefarben waren. Aus ihnen sickerte allgemein eine eher organische, um nicht zu sagen bösartig-botanische Atmosphäre.

Wir hatten so ein Ding im Treppenhaus hängen.

In den Achtzigerjahren haben wir gestrickt. Mit Zöpfen, ohne Zöpfe, Schneesterne, Rentiere, Namenszüge, Pinocchios für die Kinderpullover. Norwegische Muster. Irische Muster. Ajour-Muster. Morgens, mittags, abends. Auf Feiern, im Park, in Hörsaal und Schule. Immer.

Währenddessen begeisterte sich vor allem der männliche Nachwuchs an kriegerischen Puppen, Testosteron-verheißenden Kens, die man „He-Man“ nannte. Und so wie ich auf die Zopfspangen verzichten musste, waren die Dinger für meinen Sohn „Leichenspielzeug“- die gab es nur über meine Leiche, also gar nicht.

Da wir schon immer etwas anders waren, hatten wir auch keinen C64, sondern einen Atari. (Separatisten.)
Mit Datasetten.
Später mit zweiseitig verwendbaren 5 1/4 Zoll-Disketten, zu laden über ein externes, drei Kilo schweres Laufwerk, und einer Sammlung von ungefähr 700 Spielen, in der bekannten monochromen Klötzchengrafik mit ohrenkrebserzeugendem Gepiepse als Soundtrack. Bevor man irgendwas spielen konnte, musste man unter Umständen dem Computer erst noch das Basic beibringen (also es in den Speicher laden) in dem das Spiel programmiert war.
32 Kilobyte Speicher, da kann man Spiele mit programmiert kriegen.

Als IBM seine ersten PCs auf den Markt warf, bekamen wir irgendwann einen Schneider-Euro-PC. Ein vom Bau her hybrides Teil irgendwo zwischen 8-Bit-Rechner und PC. Das Ding hatte zwar eine IBM-kompatible CPU, aber kein extra Gehäuse, die ganze Recheneinheit wohnte in der Tastatur. Da gab es auch ein Diskettenlaufwerk. Der Bildschirm war bernstein-monochrom, also eine orange-schwarze Angelegenheit. Kostete damals 999 Mark.

Den haben wir nach und nach umgebaut, inklusive Umzug der Hauptplatine in ein Desktop-Gehäuse, und dann gab es auch die erste Festplatte, eine 20 Megabyte-Seagate. Auch die kostete ein Vermögen.
Und während Aldi noch darüber nachdachte, ob man Elektronik neben Knäckebrot verkaufen kann, kaufte mein Mann seinen ersten Akustikkoppler. So ein Ding, auf das man einen Telefonhörer auflegen konnte. Mit zwei Muscheln, eine mit Mikro, eine mit Lautsprecher.
Mit Hilfe dieses Wundergeräts konnte man sich per Telefon in eine Art Netz (Usenet?) einwählen, und zur Verständigung nutzten die Geräte dieses Zwitschern, das man von Modems und Faxgeräten kennt.
Dafür hab ich damals extra ein Telefon mit Tasten bei der Post bestellt, denn ohne Tasten keine Wahlwiederholung- und die brauchte man fast noch mehr als den Akustikkoppler. Damals, zu Zeiten der Monopolisten…Ein Tastentelefon kostete im Gegensatz zu dem ordinären Wählscheiben-Modell 60 Pfennig extra im Monat- oder sechs Mark? Und ich musste was dafür zahlen, dass ein längeres Kabel dran kam. Dafür kam extra ein Techniker ins Haus und schraubte an der Leitung herum.
Die ganze Verbindung war, da sie tatsächlich auf akustischem Weg funktionierte, extrem störanfällig. Mit chronischem Husten brauchte man sich gar nicht in der Nähe aufhalten…

Etwas später dann, während die Menschen mit Stellvertreter-Helfersyndrom ein piepsendes Tamagotchi mit sich herumschleppten, und der Rest am Nintendo die kleinen Supermarios durch die Levels schickte, hatten wir gerade den Konsumterror entdeckt, wendeten uns von RTL und Tamagotchis ab, und zahlten lieber an der Hypothek. Das machten damals auch alle- in der Niedrigzinsphase ab Mitte der Neunziger.

Der Bastelwahn fing dann Anfang des Jahrtausends so richtig an. Serviettentechnik (uärgh…) Seidenmalerei (zartlila Kravatten! Hussa!) Brandmalerei. Puppen basteln. Trockensträuße (hust!). Tiffany-Lampen. Besagte Window-Colours. Und, und, und.
Irgendwann, wenn so eine Hysterie abflaut, kann eine sechzig-Quadratmeter-Wohnung nur noch mit Mühe unter den ganzen Gimmicks und dem Selbstgebissenen hervorgegraben werden.
Abschreckendstes Beispiel für mich war eine Frau, die wunderbare Filet-Häkelarbeiten machte. Sie machte nichts anderes, und vor nichts halt. Aber gutes Garn ist teuer. Und unauffällig cremefarben.
Nachdem sie Ende der Siebziger losgelegt hatte, trug 1988 sogar ihre Tiefkühltruhe eine Schutzdecke in Filethäkelei, aus türkiser Wolle, mit Lurex. In Gold.

Wenn man die Bastelgeschäfte besucht, findet man in den Ecken immer noch Reste von Material für die ein oder andere bereits ausgestorbene Beschäftigung, für die unentwegt weiter Werkenden, die auch im Jahr 2008 noch Bedarf an Styroporringen (Trockenkränze?), Holzbrettchen, Stopfwatte und Papierservietten haben.

Aus den recycelten Tamagotchis hat man dafür Scoobi-doos gemacht, und das Makramee-Material dient wieder zum Paketverschnüren.


Die Scoobi-doos hab ich weg geworfen: Ich kanns nicht mehr.
Sic transit gloria mundi.

Sonntag, 27. Januar 2008

Unter Schock


Neulich Abend, in einer Wohnung irgendwo in Deutschland.

Ein Fernseher flimmert friedlich.

Da.

Ein Druck auf eine Taste der Fernbedienung.

Und der Schrecken bricht herein.

DSDS.

Der Schrecken. Der Schauder.

Das Singen, Der Schmerz.

Der Sarkasmus. Die unbegreiflich öffentlich gesuchte Demütigung.(Mir gehen die Worte mit D und S aus, wie unschwer bemerkt werden kann).

Ich hab Zeit meines Lebens gedacht, dass ich einen an der Klatsche habe. Eine Meise unterm Pony, einen Knoten in den Zerebralfühlern.

Aber sowas...

Es mag ernstere Fälle geben als die, die da gezeigt wurden. Aber die sind bestimmt irgendwo sicher weg gesperrt.

Erst so langsam erhol ich mich davon.

Wie muss man drauf sein, wenn man sich sein Selbstkritikdefizit von Herrn Bohlen auffüllen lassen muss?

Ich hab das, Tatsache, noch nie in meinem Leben gesehen, und das, was durch Presse, Funk und andere Fernsehsender gesickert ist, habe ich immer als Beispiel dafür genommen, dass Herr Dieter B. aus Wo-Auch-Immer ein unangenehmer Patron ist, der sich auf Kosten Anderer amüsiert und damit auch noch Quote macht.

Aber ich muss ihm ein bisschen was abbitten, denn das war einfach unwiderstehlich.

Eine derartige Masse (jawoll, Masse, ich sag das Wort- auch wenn ich dabei eine Frau vor Augen habe, deren Brüste dazu neigen, ein eigenes Schwerkraftfeld zu entwickeln) an Menschen, die offenbar weder Freunde, noch wohlmeinende Verwandte, noch einen Spiegel ihr Eigen nennen, und die sich dann wundern, dass man sie fies anmacht, ist mir noch nicht untergekommen. Nicht jede mit einem Muttermal auf der Wange ist Cindy Crawford!


Die Frage, ob ein Sender das ausstrahlen muss, ist eine andere- aber auch dazu muss ich feststellen, dass diese Leute genau da hinwollen.

Und teilweise sogar ihre minderbemittelten- minderjährigen Kinder dahin begleiten. Ich weiß, dass es wenig Sinn hat, bei 17jährigen einen Sorgerechtsentzug in die Wege zu leiten. Aber vielleicht sollte man das doch mal versuchen. Örtliches Jugendamt? Hallo? Kennt ihr die Leute? Garantenpflicht? Kindeswohl?

Aber vermutlich gilt der Knabe im Familienkreis als sensibel, nicht als hysterisch.

Dabei kann man diese Aktion, samt Hyperventilieren und Auf-den-Boden-Werfen, oft beobachten, bei Dreijährigen im Supermarkt. Ab einem Alter von fünf ist da allerdings Fremdschämen angesagt, meine lieben Eltern. Und, es tut mir leid, das sagen zu müssen, da habt ihr erziehungstechnisch ins Klo gegriffen. In ein verstopftes.


Den Namen von dem Typ, der da eine neue Sprache erfand, weil er keinen Schimmer von Englisch hat, habe ich verdrängt. Aber ihm sei ein Volkshochschulkurs empfohlen: Musikalische Früherziehung. Und dann bitte mit „Alle Vögel sind schon da“ einen neuen Versuch starten. Oder mit einigen der einfacheren Weihnachtslieder. Da kann dann die Umgebung am Text erkennen, welches Lied gemeint ist, und dann entscheiden, ob richtig gesungen wurde.


Ich glaube, wenn das nächste Mal die republikeigenen Steine umgedreht werden, damit allerlei Seltsamkeiten darunter hervorkriechen können, werde ich mir schwer überlegen, ob ich mir das antun soll- schließlich gilt es, eine Stunde ungläubiges, amüsiertes Staunen gegen Albträume von Brüsten von der Größe eines Balkanstaates abzuwägen.

Donnerstag, 24. Januar 2008

Nach Hause telefonieren

Es tut ja doch gut, wenn man merkt, dass Leute sich um einen kümmern würden- wenn es denn nötig wäre.

Als ich soeben von der Toilette kam, stand vor meinem Büro eine Kollegin, in erheblichem Aufruhr, und fragte besorgt, was denn los sei.
Unverständnis bei mir.
Sie habe in der letzten Stunde ungefähr 7 Anrufe auf ihrem Handy erhalten, alle von meinem Handy, und es seien immer nur Geräusche zu hören gewesen. Daraufhin hat sie gedacht, ich läge irgendwo halbtot in der Gegend, nur noch in der Lage, sie anzurufen und nicht mehr, zu sprechen und zu sagen, was los ist
Sie hat sich aus dem Termin, den sie gerade wahrnahm, verabschiedet und ist Hals über Kopf hierhin gefahren, um nachzuschauen ob ich hier bin und ob es mir gut geht.

Des Rätsels Lösung: Ich hatte mit meinem Arzt telefoniert und bin direkt danach, Handy in der Jackentasche, dorthin, um ein Rezept abzuholen. Offenbar hatte ich mich jedoch nicht aus dem Menü „Telefonieren“ herausgeklickt, so dass die Jackentasche zusammen mit dem Sicherheitsgurt wild in dem Menü herumgewählt und immer wieder die Kollegin angerufen hat..

Wäre ich nicht im Büro gewesen, hätte sie die Polizei eingeschaltet.

Irgendwie hat das gut getan.

Mittwoch, 23. Januar 2008

Kinder haben. Oder nicht.

Irgendwie scheint den Kindern von heute das Wissen verloren gegangen zu sein, dass Autos aua machen, wenn man zulässt, dass sie einen überfahren.

Anders ist es nicht zu erklären, dass sie, ungeachtet der ungefähr 1500 PS, die in einer blechverkleideten Schlange, noch dazu bunt lackiert, auf sie zubrausen, in Scharen über die Straße laufen. Bei rot.

Sollte es sich um ein erbliches Problem handeln, so können wir, Darwin sei Dank, mit einer Erholung des Gen-Pools in zwei oder drei Generationen rechnen.


Unsere Mutproben, damals, im Pleistozän, als ich noch jung war, sahen Sprünge vom Dach vor. Ob man das überlebte oder nicht: Es war jedenfalls kein Blechschaden zu befürchten.

Und niemand wäre verklagt worden- Eltern wussten damals, dass Kinder einfach dämlich sind, was manche Dinge betrifft. Keiner wäre auf die Idee gekommen, die Eigentümer des Grundstücks, auf dem wir unsere Absprünge geübt haben, vor Gericht zu zerren um sie wegen der Zutrittsmöglichkeit zu eben jenem Grundstück zu Schmerzensgeld verurteilen zu lassen.

Heute kann man das vermutlich.


Nicht verklagen kann man vermutlich (und was mich betrifft, auch leider) die Leute, die soeben- angeblich zu dem einzigen Zweck, eine Diskussion anzustoßen) planen, die Republik flächendeckend mit Nachbildungen von 10 Wochen alten Föten zu überziehen. In jedem Briefkasten soll einer landen, aus Plastik und in Hautfarbe. So letzten Samstag ein Bericht auf Arte. Leider habe ich zu dieser Sendung/Reportage keinen Bericht auf der Seite des Senders gefunden.

Das ganze läuft unter 'Aktion „Durchblick“'.

Nun ja.


Grundsätzlich bin ich für Diskussion. Ich bezweifle aber, dass das wirklich der Anlass für diese Aktion ist- denn ein Sprecher der Aktionsgruppe sagte in diesem Bericht, dass (sinngemäß) „die Diskussionen beendet sind, sobald man ihnen (gemeint sind die, die seiner Meinung nach „für Abtreibung“ sind) diese Nachbildung zeigte“.

Da ich weiblichen Geschlechts bin und bereits eine sehr frühe und damals nicht geplante Schwangerschaft hinter mir habe, kann man getrost davon ausgehen, dass ich da qualifiziert genug bin, mitzureden. Jedenfalls fühle ich mich so.

Und keine der Frauen, mit denen ich in den letzten- sagen wir 30- Jahren gesprochen habe, hatte eine Einstellung, wie sie eine junge Frau, Mitglied der Organisation, die diese Aktion betreibt, beschrieb: Nämlich eine befürwortende Haltung zum Abtreiben zwischen Suppe und Nachtisch, leichtfertig und verantwortungslos.


Allein schon dadurch, dass Frauen, die abtreiben, von einem vielleicht 19 Jahre alten Mädchen Ernsthaftigkeit abgesprochen wurde, habe ich mich angegriffen, diffamiert und herabgesetzt gefühlt, und ich habe nie eine Abtreibung vornehmen lassen.


Die Absicht, diesen Frauen zu verdeutlichen, was sie da tun, ist vielleicht ehrenwert. Aber vollkommen überflüssig. Denn: Entweder, die Frau trifft die Entscheidung nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände- oder sie tut das nicht. Im letzteren Falle ist dem nicht mit einem Plastikpüppchen abzuhelfen. Im ersten Fall wissen die Frauen sehr wohl, was sie tun.


Keine Frau, die noch alle Sinne beisammen hat, unterzieht sich diesem doch im Vergleich zur Empfängnisverhütung enorm aufwändigen Schritt einfach nur so- besorgt sich Termine, hält Bedenkzeiten ein, nimmt sich frei für den Eingriff und eine Erholungszeit, und nimmt vielleicht Jahre voller Alpträume in Kauf.


Keine Frau veranlasst so etwas ohne Angst und Trauer. Trauer um die Möglichkeiten, die beendet werden, Angst vor eventuellen Nachwirkungen, emotionaler oder körperlicher Art, Angst vor Stigma und dem Gerede der Leute, wenn es doch nicht geheim bleibt.


Genau so wenig wie alle anderen Frauen, mit denen ich jemals über dieses Thema gesprochen habe, finde ich, dass Abtreibung ein Mittel zur Empfängnisverhütung sein darf. Aber Empfängnisverhütung ist das eine- sozusagen der gute Vorsatz, die blanke Seite der Medaille. Es wäre gut, wenn sie immer zuverlässig wäre, wenn unsere Körper immer so funktionierten wie Maschinen: Zuverlässig, pünktlich und genau. Aber das tun sie nicht. Und dann?


Die Zahlen von 120-140.000 Abtreibungen im Jahr sind erschreckend. Leider sind sie nicht wirklich erhellend in Bezug auf die Motive. Da wird gern gesagt, dass das Gros der Eingriffe auf Frauen zwischen 18 und 35 Jahren entfällt- aber da wird nicht zurück geschlossen darauf, dass dies die Jahre sind, in denen gerade Frauen mit einer anspruchsvollen Ausbildung und einer erfolgversprechenden beruflichen Laufbahn einfach für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen, und dieses zusammen mit dem Aufziehen eines Kindes für sie nicht machbar erscheint.


Trotzdem ich meine Mutter zur Betreuung meines Sohnes hatte (der geboren wurde, als ich noch zur Schule ging), hat das Vorhandensein meines Kindes meine berufliche Laufbahn mehr als bestimmt: Kein Studium, sondern eine Ausbildung, damit möglichst früh Geld hereinkommt. Als sich für mich herausstellte, dass ich diesen Beruf nicht sehr mag, sondern eigentlich täglich mehr darunter leide, konnte ich nicht umsatteln- das Geld wurde gebraucht, und zwar nicht für mich. Auch heute noch, rund 25 Jahre später, muss ich ihn unterstützen. Sein Vater, der studiert hat, bis unser Sohn 16 Jahre alt war, ist Rentner, seit mein Sohn 18 ist. Und er ist selbstverständlich seit ungefähr 27 Jahren nicht da, wo sein Sohn ist. Sondern genießt sein Alleinleben.


Wieviele Frauen müssen abtreiben, weil sie einfach nicht die Kraft haben (mal abgesehen vom Geld), ein Kind allein großzuziehen? Wie belastend ist es, immer allein für jede Entscheidung verantwortlich zu sein, oder in vielleicht sehr jungem Alter den Anschluss an seine Freunde vollständig zu verlieren, weil die unterwegs sind und man selbst zu Haus hockt?

Die Betreuung eines Kindes zu organisieren, damit sie reibungslos läuft, während man seinen Lebensunterhalt verdient, ist eine logistische Aufgabe von enormen Ausmaßen.
Sicher, da sind Tagesgruppen, Tagesmütter- aber was macht man mit 28 Tagen Urlaub und einem Vierteljahr Schulferien? Mit einem Kind, das kränkelt? Mit Arbeitszeiten von 7 bis halb fünf? Mit Schichtdienst im Krankenhaus? So lange alles wie geplant läuft, ist das kein Thema. Aber was ist, wenn die Tagesmutter krank wird? Der Kindergarten im Sommer drei Wochen schließt, und anschließend, weil irgendwer einen Virus eingeschleppt hat, nochmal 5 Wochen Quarantäne drangehängt werden?

Das sind noch vergleichsweise harmlose Probleme, denn die hat man nur, wenn man Arbeit hat.

Und wenn nicht? Wenn man arbeitslos, lehrstellensuchend oder im Studium ist?

Wie gefasst und in sich ruhend muss man sein, um es nicht seinem Kind vorzuwerfen, wenn man seine Freundin trifft, die nach dem Abitur erstmal eine lange Reise plant? Ein freiwilliges soziales Jahr oder ein Jahr im Ausland als Au pair? Wenn alle Bekannten, die zu Haus bei den Eltern wohnen und eine Ausbildung machen, ihr Geld zur Verfügung haben für ein Auto, Kleider, Kontakte- und nichts für Windeln, Gläschen und Strampler ausgeben müssen?


Wie viele Kinder werden unter Umständen groß, die man nur mit Erschrecken zur Kenntnis nehmen kann, weil ihre Mütter ihre Ausbildung nicht beenden konnten und demzufolge arm sind, in Beziehungen mit den falschen Partnern festsitzen, keine Zeit hatten, erwachsen zu werden, bevor sie ein Kind im Gepäck hatten?


Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, von Hartz IV leben zu müssen, mit Kindern. Nicht nur, dass die Mutter vielleicht niemals mithalten konnte mit ihren Freunden- ihre Kinder können es auch nicht. Macht sich jemand Gedanken dazu, was das für eine Belastung ist für Familien, ob mit einem oder zwei Elternteilen? Wie oft die Kinder auf etwas verzichten müssen, was für viele andere selbstverständlich ist? Und da lasse ich trinkende, prügelnde, terrorisierende Eltern aus dem Spiel. Ich meine nur den täglichen, grauen Einheitsfrust.

So lange Kinder zu haben bedeutet, schmerzhafte Einbußen an Geld, sozialem Status und Perspektive zu riskieren, kann ich keine Frau verurteilen, die sich hierzu nicht in der Lage sieht.


Deshalb bin ich dafür. Dafür, dass jede Frau ein Recht hat, zu wählen- ob und wann sie ihr Kind austragen will.


Ich finde die aktuelle gesetzliche Lage trägt dem Dilemma, in dem sich sowohl die Frau als auch der Staat befinden, ausreichend Rechnung- indem sie den Eingriff grundsätzlich missbilligt, ihn aber unter Umständen rechtfertigt.


Jede Schwangere, die eine solche Entscheidung wirklich leichtfertig trifft, der man also mit diesen verteilten Püppchen zu weitergehenden Erkenntnissen verhelfen könnte, halte ich für zu blöd, als dass ich ihr die Erziehung eines Kindes anvertrauen würde. Und ich bezweifle zudem, dass diese Aktion ihr zu auch nur einer Minute weiterer Überlegung verhilft.

Und weshalb ich gern einen Grund hätte, die Verteiler dieser Gaben zu verklagen? Ganz einfach- ich möchte nicht die Frau sein, die soeben ein Kind verloren hat, und diesen Homunkulus in ihrem Briefkasten findet.




Montag, 21. Januar 2008

Gestern

Wie auch schon vorgestern, hab ich gestern ebenfalls einen Teil meiner Neujahrsvorsätze in die Tat umgesetzt.
Am Samstag hab ich mir gegen Mittag (ja, da war ich dann endlich soweit) ein Herz gefasst und bin Richtung Einkaufsstraße gelaufen. Bis zu dem Supermarkt dort sind es ca. 2,5 Kilometer, und so bin ich dann los gestiefelt. Sonst fahr ich diese Strecke mit dem Auto. Immer.
Ungefähr auf der Hälfte der Strecke fing es an zu regnen. Und nein, ich hatte keinen Schirm mit, nicht mal eine Kapuze an der Jacke. So hatte ich die Wahl: Nach Hause gehen, trockenlegen, noch mal los, oder weiterlaufen und hoffen, dass der Regen aufhört. Ich hab mich fürs Weiterlaufen entschieden.
Und war nass wie eine gebadete Katze, als ich ankam. So, dass beim Kopfschütteln die Tropfen flogen.
Ich hatte nicht so viel zu besorgen, war also schnell wieder auf dem Heimweg. Natürlich hatte der Wind gedreht, und kam wieder von vorn, so dass Brille, Haare und Gesicht nebst Jackenvorderseite ein zweites Mal ordentlich nass wurden. Ich hatte eine Daunenjacke an, und der Regen ist durchgekommen.
Zu Hause war dann ein komplettes Umziehen sowie eine Runde Wäschetrockner für die Jacke fällig, aber ich hab mich gefreut, denn erstens tuts einem gut, wenn man seine Vorsätze realisiert, und zweitens hab ich mich gut gefühlt, weil ich mich bewegt hatte.

Im Laufe des Nachmittags dann hab ich drüber nachgedacht, ob ich’s nicht doch mal mit dem Joggen versuchen soll.
Das dumme ist nur: Ich kann das einfach nicht. Teilweise wegen einer Gehbehinderung durch eine Gefäßverengung (Beckenarterie), teilweise wegen des Ärgers, den mir die Achillessehne am rechten Fuß immer wieder macht, teilweise auch, weil ich das ganze nie spannend genug fand um mehr als einen Versuch zu starten.
Egal, ich wollte diesmal, und hab eine alte Anleitung rausgekramt. Da stehen so Sachen drin wie: So langsam joggen, dass es einem peinlich ist, gesehen zu werden. Und dass man mit normalem Laufen vermutlich sogar schneller vorwärts käme. Und, und, und.
Hört sich sogar für so ein Bewegungswunder wie mich durchaus so an, als sei es durchführbar.
Also den Samstag ausklingen lassen, den Sonntag eingeläutet und erstmal gefrühstückt: Tasse Kaffee, Zigarette, und ähnlich gesundes Zeug.
Die Witterung hatte sich eindeutig gegen mich verschworen, denn es regnete schon wieder. Da ich keine Regenklamotten für so eine Aktion habe, sank meine Motivation bereits gegen 9 ins ziemlich Bodenlose.
So gegen halb zwölf, genervt und schon wieder müde und bereit, für einen Mittagsschlaf das Zimmer zu wechseln, hab ich mir dann überlegt, einfach einen langen und (für meine Verhältnisse flotten) Spaziergang zu machen. Da kann man nämlich seinen Schirm mitnehmen, und muss nicht so aufpassen, nicht gesehen zu werden.
Also ab ins Auto (jawoll- die Gegend, in der ich wohne, ist für Spaziergänge zu öde), und Richtung Stadtpark.
Ausgestiegen, fünfzig Meter gelaufen und beinahe wieder ins Auto zurück.
Mein kompletter Körper hat sich schlicht geweigert, zu gehen.
Ich habe keine Ahnung, warum, aber die Achillessehne hat getobt, und ich hatte derartige Rückenschmerzen, dass ich beinahe meinen Namen vergessen hab.
Die Sehne wird sich beschwert haben, weil ich Tags zuvor eine gute Stunde Straße gelaufen bin, mit Steigung und Gefälle, das mag sie nicht. Aber der Rücken? Der macht eigentlich schon lange keinen Ärger mehr. Nach einigen hundert Metern wurde der rechte Fuß taub. Ganz doll.
So was hatte ich schon mal, ist zwei Jahre her und gehört zu den mieseren Erfahrungen. Die Gabe von Kortikoiden ist bei Diabetikern immer so eine Sache, also habe ich Physiotherapie bekommen, und keine Spritzen gegen die Schmerzen. Ich habe ein Hohlkreuz, und mit Bauchmuskeltraining, Fango und Massage war das eigentlich seither kein Problem mehr. Ist ja nicht so, dass ich gar nicht gehe. Nur eben nicht mehr so oft, seit ich so weit außerhalb der Stadt wohne. Mit angespannten Bauchmuskeln wurde es gestern dann jeweils etwas erträglicher, aber dann vergesse ich schnell das Atmen. Keine optimale Kombination.
Außerdem fiel mir mit dem tauben Fuß auf, wie plattfüßig ich durch die Gegen renne. Also hab ich versucht, abzurollen beim Auftreten. Insgesamt bestimmt ein Anblick für die Götter. Von runden Bewegungsabläufen konnte nicht wirklich die Rede sein. Die Pfützen und der Schlamm unterwegs haben das nicht besser gemacht.
Aber ich hab durchgehalten. Mit nur einer Pause für den „Schmerz lass nach“-Moment. Insgesamt war ich wieder eine gute Stunde unterwegs.

Was bin ich froh, dass ich nicht versucht habe, zu joggen.
Und heute Abend such ich nach den Kopien mit den Bauchmuskelübungen drauf. Erstmal schmerzfrei gehen, und dann sehen wir weiter.

Samstag, 19. Januar 2008

Portrait of an Anarchist

Er sieht harmlos aus.
Er schmiedet Verderben und Trauer. Trauer um meinen vorletzten Dessertteller.
Wenn ich eine richtig gute Hausfrau wäre, hätte ich mich bereits drei Teller früher um Ersatz bemüht. Dann hätte dieser Teller auch nicht in der Küche herumgestanden, sondern ordnungsgemäß bei seinen (nicht ganz passenden) Geschwistern im Schrank.
So jedoch konnte er heute Nacht auf dem Küchenboden sein Leben aushauchen (der Teller).
Jetzt sitzt der Anarchist im Flur und singt von seinen Heldentaten, in seinem seltsamen, bellenden Miauen. Oder was immer das für Geräusche sind.
Seine Geschwister hocken am Fenster hier im Arbeitszimmer und versuchen, per Katzenohrenradar die Quelle für die eigenartigen Laute herauszupendeln, die von draußen hereinklingen. Es ist nämlich 5.48 Uhr, und dort brüllt ein Vogel. Mit einem lärmenden Tschiptschiptschip, und das, wo es noch dunkel ist. Außerdem vor dem Haus, was auch bedeutet: Vor meinem Schlafzimmerfenster.
Da sage noch einer, im Leben der heutigen Großstädter spiele die Natur keine Rolle mehr! Immerhin hat sie mich einmal heute Nacht um drei geweckt (gut, vielleicht war das doch eher der Teller in Zusammenarbeit mit den Fliesen) und dann noch mal vor ungefähr so langer Zeit, wie ich brauche, um
a) aufrecht zu stehen
b) die Kaffeemaschine zum Laufen zu überreden und
c) den Rechner hochzufahren und das Internetz zu entern.
Bedenkt man, dass ich erst gegen halb eins im Bett war, und für die Punkte a-c ungefähr 15 Minuten gebraucht habe, sowie gut 7 Minuten um das bisher Aufgeschriebene zu tippen, macht das. Äh.
Kann mal einer...?
Ungefähr ...5 Stunden Schlaf.
Ich versuche daher, meine tränenden und müden Augen darauf zurück zu führen, und nicht auf den Einfluss irgendeiner Creme (Fast alle Hautcremes, die ich je ausprobiert habe, kriechen irgendwann in meine Augen, und die brennen dann und tränen- das ist einfach nur doof. Am schlimmsten sind dermatologisch getestete Augencremes. Da ich fest entschlossen bin, die so teuer erworbene Wunderpatsche gut zu finden, liegts heute bestimmt an mangelndem Schlaf.)
Die arme Emily hebt gerade ihr plattes Persernäschen zu mir und maunzt um Erlaubnis, auf meinen Stuhl zu dürfen.
Irgendwie ist sie immer die Arme Emily. Obwohl sie ganz schön katzig werden kann. Oben abgebildeter Anarchist zum Beispiel kriegt von ihr regelmäßig, spontan und meist ohne eigenes Zutun eins auf die Omme. Er sitzt vor ihr, will sie gerade Nase-an-Nase begrüßen und -Dunk- hat eine hängen.
Er hat eine schwere Kindheit, nimmt dies aber eher leicht.
Kurze Zeit später begrüßt er sie dann wirklich. Von der Arbeitsfläche oder der Sofalehne aus, im freien Fall. Manchmal auch, von höheren Warten aus, eher in einer ballistisch-ambitionierten Parabel. In diesen Tagen denke ich oft an Erziehungscamps. Irgendwo in der Tundra.

Gestern habe ich wieder etwas gekauft, um meine altertümliche Rechnerausstattung ein wenig zu ergänzen. Einen Klebebandabroller. Was das mit meinem Computer zu tun hat?
Ganz einfach.
Dieser Klebefilmabroller ist, zusätzlich zu dem Klebeband, tatsächlich mit einem
Vierfach-USB-Hub ausgestattet.
Außerdem hat er eine geschmackvolle grüne Busy-LED, und einen Warnhinweis (Mind the Cutter! Vorsicht Scharf!<---Großschreibung NICHT von mir)
Ich fand das Teil bei meinem Elektronik-Provider Feinkost Plus. Und den Gedanken so schrill, dass ich es einfach kaufen musste.
Abgesehen davon, ist es mit lediglich 2 USB-Ports schwierig, ohne mühselige, Planung voraussetzende Neuverkabelung Drucker, Wlan-Antenne, Kartenleser, Webcam, PDA und mp3-Player ordnungsgemäß anzuschließen. Letztens habe ich den Rechner runtergefahren mit der Kamera-Karte im Leser, und diese dann entfernt, weil ich die Kamera brauchte. Mit dem Ergebnis, dass der Rechner beim nächsten Starten erstmal hängen blieb. Mehrmals, bis der Groschen gefallen war.
Ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist zudem, dass nunmehr der Klebefilmabroller immer an einer Stelle ist, weil er schlicht, sozusagen, angeleint (neudeutsch: Online) ist.

Außerdem, und hier bitte ich die geneigte Leserschaft, gedanklich einen anerkennenden Trommelwirbel einzufügen, hatte dieses, mit knapp 13 € bezahlbare Teil den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass ihm... das Anschlusskabel beilag. Jawoll. Der Drucker, den ich in grauer Vorzeit erwarb, hatte das bekanntlich nicht.
Und eine Rolle Klebefilm lag ebenfalls in der Packung, sowie eine Bedienungsanleitung. Diese beschränkte sich zum Glück auf den USB-Teil des Gimmicks. Obwohl- das wäre doch ein Anlass zum hämischen Bloggen gewesen: Eine Bedienungsanleitung für einen Klebefilmabroller. Von einem Automaten direkt aus dem Koreanischen übersetzt. Schade auch!

Leider müsst ihr noch weiter lesen, denn die Geschäfte haben noch nicht auf. Sonst wäre ich schon auf dem Weg in die Apotheke. Dort wartet (hoffentlich!) mein Ruin in Gestalt von diversem Pumpenzubehör auf mich. Ruin deshalb, weil das Zeug so sündhaft teuer ist... und ich leider privat krankenversichert bin. Normalerweise weiß ich das zu schätzen, nicht jedoch in der Apotheke, wo ich bar bezahlen und somit die Kosten vorstrecken muss, bis meine Krankenversicherung mir den Spaß erstattet. Einmal Insulin für sechs Wochen, 127,66 €. Einmal Pumpenkatheter für 3-4 Wochen? 135,75 €. Einmal Reservoirs für sechs Wochen, 65 €. Teststreifen für zwei Monate? 205,- €.
Erstattungsfristen der Kasse? Inzwischen 4-5 Wochen.
Und noch was: Apotheken nehmen keine Kreditkarten. Online vielleicht- aber da das gesamte Pumpenzubehör ohnehin bestellt werden muss und Lieferzeiten hat, bin ich mir nicht sicher, ob das immer pünktlich käme. Also unterstütze ich meine lokale Apotheke.
Zum Glück braucht meine neue Pumpe, mit der ich übrigens sehr zufrieden bin, nicht diese merkwürdigen Spezialbatterien, sondern kommt mit schlichten AA-(Lithium)-Batterien aus. Man glaubt kaum, wie beruhigend es ist, dass man im Notfall in jeder Tankstelle Ersatz kriegt. Mit der vorherigen Pumpe war das anders. Da kostete eins dieser Spezialdinger knappe 20 €, und hielt auch nicht länger als diese Baumarkt-Variante, die jetzt in der neuen Pumpe ist. Dafür kannten die nur drei Betriebszustände: Voll, bald nicht mehr voll (Für "bald" jeden beliebigen Zeitraum von 24 Stunden bis zu einer Woche einsetzen) und leer. Und auch für die Dinger gab es Lieferfristen. Eine Woche, knapp. Dafür kamen sie im Dreierpack, was bei organisierten Leuten sicherstellt, dass sie immer Ersatz im Haus haben. Das muss der Fairness halber erwähnt werden.
Die neue Pumpe hat einen ordnungsgemäßen Zustandsbalken, an dem ich erkennen kann: Voll, zwei Drittel voll, ein Drittel voll und leer. Den ersten Batteriewechsel hab ich nach drei Monaten vorgenommen, so lang haben auch die Batterien an der alten Pumpe gehalten. Und da stand der Balken bei der neuen auf zwei Drittel voll, mit Tendenz zu einem Drittel, wenn das Gerät gerade mal etwas kühler war, weil ich mich draußen aufhielt.
Mit der ausgewechselten Batterie läuft derzeit meine Kamera.
Da es sich nicht um Spezialbatterien handelt, werden die Kosten nicht von der Kasse ersetzt, aber das ist in Ordnung für mich. Angeblich sind die Batterien für die alte Pumpe auch nur in Zusatzmetall eingewickelte Normaldinger, mit einem Schraubdeckel und einer Dichtung versehen. Mag sein, ich hab sie nicht auseinander genommen. Der Hersteller meiner neuen Pumpe hat das anders gelöst, nämlich mit einem Extra-Schraubdeckel.
Zudem hat das neue Teil eine Menüstruktur in richtigem Deutsch und das Display blendet dieses Menü auch ein, so dass auch ein Unkundiger im Zweifel weiß, wo er gerade ist. Das war bei der anderen nicht so.
Das einzige, was etwas nervt, ist, dass man keine Fertigampullen verwenden kann. Da die Pumpe sehr klein ist, muss man das Insulin aus den 3ml-Penampullen in 2-ml-Reservoirs umfüllen. Das hat mich am Anfang etwas Schweiß und Insulin gekostet, aber jetzt kann ich es.
Und da die Zeit der hohen Werte mit der Weihnachtszeit aus mir dunklen Gründen ein Ende genommen hat, bin ich momentan diabetestechnisch recht zufrieden. Es sei denn, die Apotheke hat gleich das Zubehör nicht auf Lager. Dann bin ich eine böse Lily.
Es stimmt schon, was meine Oma sagte: Die beste Krankheit taugt nichts.

Donnerstag, 17. Januar 2008

Auf vielfachen Wunsch:



Das Eselchen aus "Schweine im Weltall".
Eigens für euch fotografiert :-)


Der Segen der bösen Tat.

Dieser Tage ein vertrautes Bild: Vor den Türen unserer Rathäuser und anderer Bürogebäude stehen frierende Menschen, die blau angelaufenen Finger um die schwach glimmenden Enden ihrer Zigaretten gewölbt, und zittern. Gerade wenn man sich wundert, seit wann die Welle des sozialen Abstiegs in Form der Obdachlosigkeit auch die gut Gekleideten hinweg reißt, dämmerts einem. Die sind nicht obdachlos. Die haben kein Mitleid verdient: Das sind RAUCHER.
Fiese, gesundheitsmufflige, süchtige, stinkige, unbelehrbare, Kinder verderbende Raucher.
Jawoll.
Ekliges Volk.

Oder?

Erinnern wir uns:
Rauchen (oder vielmehr die Tabaksteuer) wurde im Jahr 2003 teurer- um den Irak-Krieg, den Kampf gegen den Terror, sowie Teile der Leistungen der Krankenkassen (Mutterschaftsgeld) finanziell abzusichern (Der erste Krieg, der mithilfe von Steuern auf Tabak finanziert wurde, war übrigens der 30jährige. Das hat alles eine gewisse Tradition!)

Ein wahrhaft staatstragendes Verhalten ist es seither, sich die Kippe anzuzünden, opfert man doch seine eigene Gesundheit (sowie die in der Nähe stehender Personen) für höhere Ziele!

Seither ist viel geschehen.

In beispielloser Verleugnung der Nützlichkeit der rauchenden Bevölkerungsanteile wurde vor 14 Tagen oder so das Nichtraucherschutzgesetz in Teilen in Kraft gesetzt.
Abgesehen von einigen Ungereimtheiten (warum darf der zu Verhörende im Verhör rauchen, der ihn verhörende Polizist jedoch nicht? Ist das Verweigern einer Zigarette gegenüber einem süchtigen Verdächtigen eine verbotene Vernehmungsmethode, weil es möglicherweise mit Entzugssymptomen unzulässigen Druck ausübt? Und wenn ja, warum ist das Interesse des potenziell Verurteilten an seiner psychischen Unversehrtheit als höheres Gut einzuschätzen als das Interesse der Beamten an der Aufrechterhaltung ihrer Gesundheit? Fragen über Fragen.) ist festzuhalten, dass die gesellschaftlich zu lobenden Nebenwirkungen des Rauchens bis dato noch gar nicht in vollem Umfang gewürdigt werden konnten…

Tja, meine Damen und Herren, haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was geschieht, wenn
a) der Raucher als solcher, durch das Verbot des Rauchens im Büro an die frische Luft gezwungen, die Zigarettenmenge auf das Unerlässliche einschränkt (sagen wir auf ein Drittel?)

b) der Raucher seinem Laster ab sofort an der frischen Luft nachgeht, anstatt dies in dumpfen, licht- und sonnenlosen Büroräumen zu tun?

c) Selbiger zukünftig vier bis fünfmal täglich die Treppen herunter und herauf sprintet, immer im Bestreben, möglichst wenig Arbeitszeit zu verschwenden (nicht wegen der Arbeit. Sondern wegen der Auszeit, die er gezwungen ist, zu nehmen)?

d) der Raucher und die Raucherin zukünftig, anstelle mit lahmem Kreislauf blass am Schreibtisch zu hängen, sich mehrmals täglich gesunden Klimareizen aussetzt?
Tja.
Sie werden es erleben: Besser und gesünder als jeder Mallorca-Urlaub, jedes Fitnesscenter-Abo, jeder gute Vorsatz ist es, ungefähr 10 Zigaretten täglich zu rauchen. Eine auf dem Weg zur Arbeit. Eine auf dem Nachhauseweg. Eine vormittags, eine nachmittags und eine in der Pause. Macht 5, bleiben 5, die man auf dem heimatlichen Balkon rauchen kann. Die Zusatzbewegung (Treppensteigen, Sie erinnern sich) macht schlank, beweglich, und trainiert Herz und Kreislauf.

Die Sonne und die Luft verbessern das Hautbild und sorgen für eine frische Gesichtsfarbe. Da der Aufenthalt an der Luft nie länger als vier Minuten dauert, ergeben sich keine negativen Folgen für die Haut durch schädigende UV-Strahlung.

Die Klimareize durch den Wechsel zwischen der Kälte draußen und der Wärme in den Büros härten ab, und senken dadurch den Krankenstand.

Und, worüber noch kein Arbeitgeber so richtig nachgedacht hat: Man kann Parkplatz-Security-Kosten sparen.
Wer entdeckt denn den jugendlichen Missetäter an des Abteilungsleiters Jaguar, wenn nicht seine Vorzimmerdame, die mal eben eine rauchen geht? Wer sieht, dass der SUV des Chefs (wozu der den für die drei Meter zur Arbeit braucht weiß keiner) vorne links kaum noch Luft auf dem Reifen hat? Dass Kollege Xs Cabrio offen ist, und von Osten eine Regenfront naht?
Die Leute, die rings um den Standascher stehen.

Na bitte.

Rauchen ist somit nicht nur gesundheitsfördernd. Es spart auch Kosten!



Das schwierigste für den Staat und die Arbeitgeber wird jedoch sein, das Rauchen zwar zu erschweren, aber nicht so sehr, dass die Raucher damit aufhören und dann keiner mehr Zigaretten kauft- schließlich wollen wir doch weiter Krieg führen.

Du hast die Haare schön.

Einer der Sätze, die man/frau gern hört- oder? Nicht unbedingt gesungen. Das nicht.
Aus diesem Grund, nämlich weil ich das gern mal wieder hören wollte, bin ich gestern in einer Kurzschlusshandlung bei meinem Friseur eingefallen und habe dem Elend ein Ende machen lassen.
Schon während der Schneideaktion wurde aus dem Pudding, den ich auf dem Hals balanciert habe, so was wie ein Gesicht. Und gegen Ende, als es ans Ausdünnen und Fransen ging, wurde das Auftauchen von Wangenknochen gemeldet. Okay, noch unter einer schützenden Schicht Winterspeck, aber dennoch.
Mal ganz ohne den Metzgersgattinnen-Appeal bin ich dann Richtung Auto stolziert, und auf dem Rückweg in den Drogeriemarkt, zur Beschaffung von Toilettenpapier.
Wieder heraus gekommen bin ich dann mit einer Mischung restaurativer und dekorativer Kosmetik in einem Tütchen, das nur dann hätte kleiner sein können, wenn man die 50 € als Schein direkt in ein solches verpackt hätte.
Auf der Schachtel mit der Nachtcreme ist eine zierliche Silhouette aufgedruckt. Da steht in drei Punkt Pica: „Original-Umriss“. Gemeint ist, dass dieses Schächtelchen innen mit Papp-Polstern versehen ist, und in diesen ruht, wohl geschützt vor den Unbilden des Wetters und versehentlichen Herumwerfens, ein kostbares, gläsernes Behältnis.
Rauminhalt: Grob geschätzt ein Drittel des Außenschachtel-Volumens. Also: Reingefallen!
Entfernt man den Schraubdeckel, sieht man, dass das gläserne Behältnis aus ganz außerordentlich dickem Glas besteht. Noch mal reingefallen.
Den Inhalt des Glases schützt ein milchiger Plastikeinsatz. Die Chance, ohne Brille herauszukriegen, wie man das öffnet, ist für mich gleich Null.
Aber wie dem auch sei. Ich habe das Wunderzeugs (und es ist definitiv besser für die Firma, wenn das ein Wunderzeugs IST) ausprobiert, und bisher haben sich weder rote Flecken, noch Pickel, noch Juckreiz oder Spannungsgefühl eingestellt.
Immerhin.
Derart beflügelt von einer Investition in eine schönere Zukunft, bin ich weiter Richtung Parkplatz gestiefelt. Auf diesem Weg sind diverse Schaufenster mit Spiegeln dekoriert. Üblicherweise (denn ich kenne diesen Weg gut) ist ein Friseur-Heimweg mit so einigen Geiserbahn-ähnlichen Schrecksekunden verziert. Wenn man um die Ecke biegt, dem eigenen Spiegelbild gegenübersteht und nach der Reaktionszeit feststellt, dass das Wesen, dem man da gegenübersteht, man selbst ist.
Diesmal verging der Weg zum Auto ereignislos. Ich war sogar neugierig auf mein Spiegelbild, und habe nicht den Wunsch verspürt, mir die Kapuze möglichst weit über den Kopf zu ziehen.

Zuhause angekommen, hab ich die oben beschriebenen Erkenntnisse in Bezug auf die erworbene Creme gehabt, sie ausprobiert und bin dann nach „Boston Legal“ ins Bett- gewärmt von dem Gedanken an die möglichen Reaktionen der KollegInnen.

Ihr erinnert euch? Ich bin zum Friseur gegangen, weil ich einfach total -mega -scheiße aussah. Struppige und schlappe Haare gleichzeitig, die, Chemie hin oder her, ab Mittag der Schwerkraft folgten und aussahen wie ein ungeschickt platzierter toter Vogel auf dem Kopf.
Ein Mireille-Mathieu-Gedächtnis-Pfannekuchen, sozusagen.

47 € investiert in einen neuen Haarschnitt (fast 10 Zentimeter kürzer) und eine neue Haarfarbe. Schon gut, das ist preiswert, das weiß ich.
Aber trotzdem…

Keiner hats gemerkt. Zumindest nicht vor Ablauf der ersten Stunde.

Soll mir das jetzt sagen, dass ich eine so dolle, schillernde, mitreißende Persönlichkeit habe, dass es wurscht ist, wie ich auf dem Kopf aussehe?

Oder registrieren die Leute eher so was wie „sieht müde aus“, oder „sieht erholt aus“ sofern man nicht gerade ein blaues Auge oder eine rote Pappnase trägt?

Keine Ahnung.
Erinnert mich dran, kurz vor Rosenmontag eine Pappnase zu kaufen, ja? Auf ein blaues Auge bin ich nicht so scharf.

Mittwoch, 16. Januar 2008

Schweine im Weltall

Die Crew des Muppet-Raumschiffs, die Küchenbesatzung von Smörrebröd und seinen Kumpanen sowie Waldorf und Stadler waren meine absoluten Lieblingspuppen. Seit Herr Huber und Bibo nicht mehr in der Sesamstraße mitspielen, heißt das. Auch Miss Piggy hat ihre Meriten. Und wenn ich mich auf den Straßen und anderswo umschaue, dann hat sie auch Fans, wie Barbie.

Kermit aber wohnt auf meinem Schreibtisch. Er sitzt auf einem kleinen Gummi-Floß auf einer kleinen Gummi-Kiste und rudert mit einem kleinen Gummi-Stab Richtung Papierwüste.

Direkt neben ihm hockt ein kleiner Buddha. Den hat mir mal wer geschenkt, und weil derjenige sehr selten was schenkt, und ich in der Situation etwas (oder besser, viel) Glück gut gebrauchen konnte, ist das heute noch ein sehr geschätzter Gegenstand für mich.

Ein Glücksschwein steht auch da herum, sowie eine Muschelscherbe, geschenkt von meiner damals 4 jährigen Nichte, und eine kleine Tonfigur. Die soll mich daran erinnern, dass man dem Leben auch lächelnd entgegentreten kann.


So.

Ein Haufen von Glücksbringern, Amuletten und kleinen magischen Gegenständen, die ihr Leben in meiner Gesellschaft fristen. Oft ist das ein sehr langes Leben.

Mit sieben habe ich mal einen kleinen Stoff-Esel gekauft- ein bemitleidenswertes Tier, schief zusammengenäht, und mit einer viel zu schweren Last von drei Taschentüchern auf dem Rücken. Er war so hässlich. Ich musste ihn retten.

Er ist immer noch hässlich, und hat ein Zuhause auf meinem Sachbuch- Regal gefunden.

Ich glaube, niemand außer mir hätte ihn gekauft, und er wäre mitsamt zerknüllter Kassenzettel, Kaugummipapierchen und beschädigter Ware eines Tages in einem Mülleimer gelandet und hätte nie das Tageslicht gesehen. Böser Onkel Karstadt.

So aber gibt es ihn immer noch, und bei dem Gedanken, dass ich normalerweise nicht an ihn denke, habe ich ein schlechtes Gewissen. Ja, ich weiß, ich habe eine Meise. Die auch.


Außerdem glaube ich bei sowas immer, dass es Unglück bringt, nicht an seine Glücksbringer zu denken.

Ganz allgemein bin ich abergläubisch. Jawoll.

Früher hab ich immer meinem Sohn oder meinem (jeweiligen) Partner ein „Fahr vorsichtig“ mit auf den Weg gegeben. Wenn nicht, war das geradezu eine Einladung an eine Nebelwand, sich im Kamener Kreuz über die Leitplanke zu hieven.

Mir ist schon ausgesprochen klar, dass das eine ziemlich alberne Angewohnheit ist. Und weil das so ist, spielt sich das eigentlich alles in mir drin ab, so dass man mich selten beim sprichwörtlichen Klopfen auf Holz oder sowas erwischt. Aber es ist eine extrem stabile Angewohnheit, und sie --- macht unglücklich.


Wenn ich Urlaub habe, denke ich unentwegt daran, was ich wohl alles übersehen oder vergessen haben könnte bei der Arbeit- denn dann kann nichts mich unangenehm überraschen, wenn ich wieder ins Büro muss.


Habe ich Geld für mich alleine ausgegeben, um mir mal was schönes zu gönnen (oder auch nur etwas notwendiges- wie zum Beispiel die Aufstockung der vorhandenen warmen Hosen von eins auf drei) kann ich mich nicht daran freuen- vielleicht kommt ja nächste Woche die Stromjahresrechnung. Und dann? (Sie KANN zwar nicht kommen, weil ich damit gerechnet habe(!) und mir schon mal prophylaktisch Sorgen mache(!!), aber der Spaß ist weg. Ist doch ganz einfach, oder? Ich denke daran, Volkshochschulkurse zu geben. So gut, wie ich das erklären kann...)


Eine Einladung zu einer Feier? Da sind bestimmt lauter Leute, die mich für doof halten- und dann gehe ich lieber nicht hin. (Übrigens: Dauernde Absagen erhöhen definitiv NICHT die Anzahl der Leute, die dich auf ihrer Unbedingtdabeihabenmüssen-Liste haben)


Die neue Frisur sieht nach Potenzial aus, solange die Haare noch feucht sind, die Friseurin föhnt dir aber eine Vorstadt-Metzgersgattinnen-Betonhaube auf die Birne? Vergiss alles, was du an Potenzial erkannt hast- du wirst ab sofort nicht mehr das Haus verlassen. Oder nur noch mit einem Helm auf dem Kopf. Jeder wird, bis zum nächsten Friseurbesuch, nur die wackere Frau Metzgersmeisterin sehen.


Da sämtliche eventuell erfreulichen Dinge mit dieser Art Denken binnen kürzester Zeit so gar keinen Spaß mehr machen, kann man eigentlich das Schöne-Sachen-Planen gleich beenden.


Eigentlich bleibt da nur noch das Extrem-Couching- das ist sicher. Und hat Zukunft. Und kostet nichts- die Stromrechnung kann kommen.


Gut, manche Sachen sind insgesamt wirklich nicht so gelaufen, wie ich es geplant habe. Dabei war ich da so sicher...


Wie zum Beispiel an dem Tag, an dem ich meine zu jener Zeit sehr kurzen Haare à la Annie Lennox hellblond bleichen wollte. Ja klar alleine- was denkt ihr denn? Friseur? Viel zu teuer. (Vielleicht kommt die Stromrechnung.)


Die Farbe besorgt, angerührt, auf die Haare aufgetragen, einwirken lassen.

Abgewaschen.

Schreikrampf bekommen.

Die Chefin angerufen (abends um 10) und für den nächsten Tag Urlaub klar gemacht.

Zum Friseur gegangen. Mit einem Helm auf dem Kopf (Ohne Scheiß. Die Haare waren meistens orange. An manchen Stellen auch gelb. Denkt euch ein Zebra auf psychedelischen Drogen).


Da die Haare so kaputt waren von der Bleiche, konnte man sie nicht mal überfärben, nur tönen. Sonst wären sie einfach ausgefallen. Das wäre dann kein Bad-Hair-Day, sondern ein No-Hair-Day gewesen.

Ich bin wochenlang alle 3 Wochen zum Nachtönen zum Friseur gegangen. Hat ein Vermögen gekostet.

Dann kam die Stromrechnung.


Sowas kann einem schon den spontanen Zugang zu den schönen Seiten des Lebens versauen.


Trotzdem habe ich gerade das Eselchen von seinem Sitz heruntergeholt und in meine Tasche gesteckt. Als Glücksbringer muss es sehr mächtig sein, denn mir ist nichts Ernsthaftes passiert in den letzten dreißig + x Jahren, seit ich sieben war.

Und er ist allemale niedlicher als mental vorweggenommenes Pech. Obwohl er so hässlich ist.


Dienstag, 15. Januar 2008

Ich habe soeben...

...das hier im Radio gehört.
Und nachdem ich mir bereits sicher war, nie wieder ein Siemens-Handy zu kaufen, werde ich jetzt auch Nokia von meiner Wunschliste streichen.
Abgesehen von den Millionen schweren Investitionszuschüssen durch Bund und Land hat Nokia zudem, wenn die Erklärungen der IG Metall und der auf WDR 2 interviewten Nokia-Beschäftigten den Tatsachen entsprechen, auch noch die Belegschaft in den letzten Wochen rund um die Uhr und die ganze Woche hindurch Überschichten fahren lassen- und im letzten Jahr eine erhebliche Umsatzsteigerung mitgenommen.
Ich hoffe nur, dass die zuschussgewährenden Stellen so clever waren, Rückforderungsklauseln in die Verträge einzubauen.

Vielleicht sollte Nokia über einen neuen Slogan nachdenken: Gier ist geil.

Wenn das so weiter geht, baue ich vermutlich im nächsten Jahr einen Brieftaubenschlag auf meinem Balkon.

Beziehungsbörsenbingo

14.Oktober 2006

Ich bin es leid. Leidleidleid. Ich mag nicht mehr gefragt werden, wann ich denn mal wieder einen Freund mitbringe. Ich mag nicht mehr allein auf Feten auftauchen und dumme Blicke kassieren. Ich mag nicht mehr sonntags allein spazieren gehen.
Ich such mir einen Partner.
Basta.

15.Oktober 2006


Ich hab Marie gefragt. Sie ist, was so was betrifft, immer up-to-date. Sie hat mir empfohlen, mich bei www.wiesoimmerfröscheküssen.de anzumelden. Das wär cool, da wären nur echte Traumtypen angemeldet. Außerdem ist Online-Suche modern, und nicht so verstaubt und langweilig wie Zeitungsinserate. Ich muss unbedingt ein schönes Foto von mir raussuchen. Marie will es für mich einscannen.

17.Oktober 2006


Wally sagt, ich soll es auch bei www.supertolleleute.de probieren. Die wären alle geprüft, und ohne seinen Ausweis zu faxen kann man da gar nicht mitmachen! Oh Mann, das ist toll.

18.Oktober 2006

So schwierig hätte ich mir das nicht vorgestellt: Ich soll da was zu mir schreiben. Das kann ich gar nicht… woher weiß ich, wie ich bin? Marie sagt, ich soll mir die Profile der anderen Frauen mal ansehen, und mir die sympathischsten Formulierungen raussuchen. Hm. Mal sehen. „Gute Figur in Jeans und Abendkleid“- hört sich ja gut an, aber das stimmt doch bei mir überhaupt nicht. „Jeans und Gummistiefel“, das wäre richtig. Aber das steht bei keiner Frau. Muss mal Marie fragen.
Marie sagt, Gummistiefel gehen gar nicht. Ich soll „sportlich“ schreiben. Oder „leger“ Gut, das mach ich.

19.Oktober 2006

Alle Frauen auf Supertolleleute.de sind so ganz anders als ich. Die sind alle viel schöner und erfolgreicher und so… Ich fürchte, ich fall da aus dem Rahmen.

20.Oktober 2006

Hab eine Email bekommen! Freufreufreu!
Das schreibt der Manfred:

Hallo,

ich bin der Manfred. Ich möchte dich gerne kennen lernen.
Viele Grüsse Manfred.

Ich schreib ihm gleich zurück.

22.Oktober 2006

Komisch, Manfred hat nicht geantwortet.

23.Oktober 2006

Wieder was dazu gelernt. Marie sagt, einige Leute schreiben einfach jeden an- und schauen dann, wer so antwortet und wie. Ich soll mir nichts draus machen.
Auf der Frösche-Küssen-Seite hab ich das Profil von einem netten Mann gesehen. Er schreibt, dass er gerne kocht, und ins Theater und Museum geht. Er scheint auch einen offenen Kamin zu haben, denn er sitzt gerne davor und trinkt einen trockenen Rotwein.
Das hört sich doch nett an. Oder?

24.Oktober 2006


Ich hab mich getraut und ihm eine Mail geschrieben.

27.Oktober 2006

Soviel ist passiert… Wolfgang, so heißt er, ist total nett und wirklich sehr unkompliziert. Wir haben kaum etwas anderes getan als gemailt in den letzten drei Tagen. Toll, wirklich. Ich bin fast ein bisschen verliebt.

30.Oktober 2006


Morgen kommt er mich besuchen. Er hat ein paar Fotos geschickt- na ja, er ist ein bisschen mollig. Auf dem Foto auf der Homepage konnte man ihn nicht erkennen, weil er da auf seinem Motorrad sitzt, mit Helm und so.

01.November 2006


Oh. Mein. Gott.

02.November 2006

Wally sagt, ich hätte einfach Pech gehabt. Dass der Typ alte Fotos geschickt hat, auf denen er noch 50 Kilo weniger gewogen hat als jetzt. Und dass er eine ansteckende Hautkrankheit hat, war auf den Bildern nicht zu sehen - er sagt, dass das damals weniger schlimm war.

Er war ziemlich enttäuscht, als ich ihm gesagt habe, dass er nicht bei mir übernachten kann, wo er doch schon seinen Schlafanzug mitgebracht hat, und total sauer, als ich ihn dann rausschmiss. Er hat bestimmt schon 20 Mails geschrieben, eine wütender als die andere. Ich mach sie jetzt gar nicht mehr auf.
Marie meinte, für solche Kontakte soll man sich eine Mailadresse bei einem Gratisanbieter einrichten, die man einfach wieder löschen kann. Man lernt nie aus.

03.November 2006

Hab die Gummistiefel aus dem Profiltext genommen.
Jemand hat mir eine Mail geschickt, einer, der auf Gummistiefel steht.
Igitt. Was es nicht alles gibt.
Marie hatte also Recht: Gummistiefel geht gar nicht.

06.November 2006

Habe dazu gelernt: Patrick werde ich am Samstag treffen, auf neutralem Boden.

11.November 2006

Was für eine merkwürdige Gestalt- und wieso hat der immer von seiner Exfrau erzählt? Und über den Unterhalt gestöhnt, den er ihr zahlen muss? Na ja, ein freundliches Schreiben zum Abschied wäre wohl angebracht.

15.November 2006

Kann heute nicht zu Wallys Party gehen. Muss mich mit Volker treffen. Er hat sehr nette Mails geschrieben.

16.November 2006

Ein Traummann- diesmal wirklich. Groß. Gut aussehend. Hat kein Wort über seine Ex verloren. Und hat mich zum Essen eingeladen. Anschließend sind wir noch stundenlang im Stadtpark herumgelaufen und haben nur geredet, geredet, geredet.
Wir sind auf einer Wellenlänge.

22.November 2006

Ich glaube, ich bin verliebt. Wir haben die letzte Nacht zusammen verbracht, und es war ausgesprochen schön. Aber warum hat er mich immer Cara genannt?

30.November 2006

Irgendwie ist Volker seltsam in den letzten Tagen- er geht nicht ans Telefon, und wenn, dann ist er immer in Eile. Schade, dass er soweit weg wohnt. Ich glaube, ich überrasche ihn am Samstag mal und besuche ihn zu Hause.

02.Dezember 2006

Hätte ich das mal nicht getan. Einfach bei ihm vorbei fahren, meine ich.

Marie meint, manche Männer wären eben so, und hätten immer mehrere Eisen im Feuer.

22.Dezember 2006

Hab heute wieder mal nach meinen Suchergebnissen geschaut- warum steht eigentlich in allen Profilen dasselbe? Entweder sie schreiben nur halbe Sätze, ohne irgendwelche Rechtschreibung oder Grammatik.
Oder sie schimpfen nur über verlogene Profile von Frauen.
Oder sie sind hingebungsvolle Sportler mit Rieseneinkommen, die mit einer Hand golfend und den trockenen Rotwein schwenkend am Kamin lehnen, während sie mit der anderen Hand und einem guten Buch in französischem Essen rühren.
Die mit der miesen Rechtschreibung betonen, dass ein Mann ohne Bauch und Bierfahne doch keiner ist…

Ist es wirklich besser, sich zu treffen mit dem Schild „Suche Partner, möglichst schnell“ um den Hals? Oder ist es nicht doch schöner, mit offenen Augen richtige Menschen kennen zu lernen, und sich erstmal ein Bild von seinem Gegenüber zu machen? Ohne gleich mit Schlafanzügen, Exfrauen und anderen Unappetitlichkeiten konfrontiert zu werden? Erstmal nett finden, und dann näher kennen lernen?

Marie lacht mich aus, und Wally ist auch skeptisch. Das wär aber uncool, meinen beide.

30.Dezember 2006


Ich hab mich heute bei beiden Plattformen abgemeldet. Was für eine Erleichterung.

Und statt in Profilen zu wühlen, geh ich jetzt in den Park und mache einen langen Spaziergang. Alleine.
Ich freu mich drauf.

Montag, 14. Januar 2008

Wie viel Sinne hat der Wahn?

Dank Herrn Grönemeyers Wumbaba-King-Eigenschaften hab ich meist „Wieviel Sinne hat der Wal?“ verstanden. Und warum sollte man sich nicht fragen, welche Sinne und wie viele davon ein großes, Wasser gebundenes Säugetier hat? Ob es in diesem Sinne Sinn ergibt, habe ich mich nicht gefragt, denn Herrn Grönemeyers Texte sind nicht nur oft akustisch schwer zu verstehen, sondern auch inhaltlich, was mich Bescheidenheit gelehrt hat.
Außerdem hat es sich gereimt. Mit „Wie viel Tränen passen in einen Kanal?“
Aber jetzt bin ich schlau und weiß, dass es heißen muss „Wie viel Sinne hat der Wahn“.
Und das hinterlässt mich eher ratlos. Hat er überhaupt? Wie viel hat er? Und wieso? Und wenn er keine hat, wieso denn bitte nicht?
Und noch mehr Fragen drängen sich auf:
„Sinn“ im Sinne von Bedeutung?
Oder im Sinne von „Sinnen“ wie Hören, Sehen, Schmecken, Riechen, Tasten?
Wahntasten. Okay.
Bisher kannte ich nur Fantasten. Das ist vielleicht eine Untergruppe.
Oder Tastenwahn? Tastwahn?
Sehwahn? Ei äm seh wahn änd ohnli… Naja, aber den Wahnseh kennen wir. Zumindest etwas ähnliches.
Kann man der Liste befremdlicher Vornamen noch einen Wahnriech angliedern?
Dank der unermesslichen Reichtümer an Wissen, die das Internetz da draußen vorrätig hält, lerne ich, dass die angemessene Form, etwas wie Wahnseh wahrzunehmen, ein wahnhaftes Sehen ist. Dito Hören, Schmecken, Tasten, Riechen.
Aber vielleicht ist diese Frage auch im Sinne von „Bedeutung“ zu verstehen. Wieviel Bedeutung hat so ein Wahn? Nee, das hört sich falsch an. Denn in dem Text heißt es „Sinne“. Nicht „Sinn“.
Also sind wir wieder beim Schmecken, Hören, Riechen, Tasten und Sehen. Und kein Stück weiter.
So kanns kommen.
Ich bin heut so wahnfühlsam einsinnig…
Vielleicht sollte ich Texte schreiben.

Samstag, 12. Januar 2008

Klassentreffen

Immer wieder gern Schauplatz von blutigen Auseinandersetzungen mit der Vergangenheit, wenn man der Kriminalliteratur (und vor allem verfilmten Stoffen) glauben darf- und doch schießt mir, sobald so eine Einladung im Briefkasten oder der Mailbox liegt, zuallererst der folgende Satz durch den Kopf:

Bis dahin musst du aber noch ----- Kilo abspecken (anstelle von ----- bitte beliebige, aber unrealistische Zahl einsetzen).

Fatal ist es, wenn die Einladung, wie inzwischen aufgrund der weiten Verstreutheit der früheren Klassenkameraden üblich, bereits Monate vor dem angedachten Terminrahmen eintrudelt. Das lässt einerseits tatsächlich zu, mithilfe von vermehrtem Sport und reduzierten Kalorien dem ein oder anderen Kilo zu Leibe zu rücken, andererseits liegt das so weit in der Zukunft, dass man nicht wirklich unter Druck gerät.

Und die so weit verbreitete Angewohnheit, alles bis zur Deadline aufzuschieben (auf Neudeutsch „Procrastination“ genannt) ergibt dann schlussendlich eine Quote von 2 Kilo pro Tag- da sind dann chirurgische Schritte nahe liegend (und im übrigen auch einzig Erfolg versprechend).

Ich sag doch, blutige Angelegenheit.

Auf jeden Fall naht irgendwann der Abend der Wahrheit. Kilos runter oder nicht, das spielt dann keine Rolle mehr.

In den oben zitierten Krimis trifft man spätestens im Foyer des für die Festivität ausgewählten Lokals dann auf

a) den Erzfeind/die Erzfeindin oder

b) den Klassen-Brad-Pitt, den man einst von Ferne angebetet hat oder

c) irgendjemand anderen, mit dem man ein Geheimnis teilt. Je düsterer das Geheimnis, desto besser.

Konsequenterweise muss dann irgendwer sterben.

Ebenso konsequenterweise muss dann der sich erhebende Verdacht auf einen selbst fallen (sonst kann einem das weitere Geschehen nämlich schlicht egal sein. Krimi zu Ende.).


Im wirklichen Leben trifft man hingegen auf eine Schulkameradin, die entweder in den letzten 25 Jahren niemals auch nur ein Kilo zugelegt hat (und demzufolge auch keines loszuwerden hatte), oder deren Vorsatz- Befolgungs- System einfach besser funktioniert. Zudem trägt sie das gleiche Kostüm, welches man selbst trägt. Drei Größen kleiner.

Von Feindschaft kann nicht die Rede sein, nur von ordinärer Konkurrenz, die durch 25 vergangene Jahre nicht leichter erträglich wird.

Demzufolge fällt sie auch nicht einfach tot um.

Stattdessen lächelt man süß-sauer, und begrüßt sie herzlich (oder so, dass es gerade noch als zivilisiert durchgeht).

Vollkommen frei von Verdacht und polizeilicher Verfolgung, betritt man den Ort des Geschehens. Und ist im Nu umringt von Menschen, die man noch nie im Leben gesehen hat. Da diese Menschen alle schon recht mittelalt aussehen, kann man unmöglich mit ihnen zur Schule gegangen sein.

Niemals.

Da muss eine Verwechslung vorliegen.

Das Kinn stolz erhoben (dann fällt auch dessen Verdoppelung nicht so auf, und durch den Leseteil der Zweistärkenbrille ist das Identifizieren des Gegenübers erheblich leichter) schlängelt man sich durch den Raum und versucht, einen Platz in der Ecke zu ergattern, aber da stehen schon welche.

In wirklich jeder Ecke stehen schon welche.

Das ist einerseits übel, weil man dann nicht selbst dort stehen kann. Andererseits ist das eigene Streben nach Rückendeckung inmitten feindlicher (oder jedenfalls potenziell feindlicher) Umgebung nicht mehr ganz so exotisch- es wird offenbar geteilt.


Man drapiert sich irgendwie um einen Stehtisch.

Und bestellt ein Bier.

Während man es trinkt, schaut man (unauffällig- selbstverständlich total unauffällig) über den Rand seiner Brille und hofft, dass das Doppelkinn auch in dieser Kopfhaltung nicht auffällt.

Die ganze Zeit fragt man sich, ob man sich genauso schlecht gehalten hat wie die Anderen. (Die richtige Antwort ist: Ja. Man hat.)

Irgendwann bringt ein schrilles Lachen die eigenen Trommelfelle auf höchst bekannte Weise zum Vibrieren, und man weiß, dass man wenigstens eine Person identifiziert hat.

Nach und nach lernt auch das Auge, sich zu erinnern, und die Umstehenden von hohen Stirnen, Bärten, Bäuchen, Kostümen und Dauerwellen zu befreien. Parkas treten an die Stelle der Lodenmäntel und Lederjacken, Jesuslatschen wachsen an Füßen, die Pumps tragen, und die halb verrottete Jeans ist wieder da, wo sie hingehört. Am Hintern von A., die besser keinen Ballonrock tragen sollte. Auch dann nicht, wenn er wieder modern ist. Es gibt Dinge, die sind unentschuldbar.


Man trifft Leute, die man kannte. Gut kannte, mit denen man von seinen Lieblings-Rockstars geschwärmt hat, Nächte durchgeredet oder Pausen hinter der Turnhalle verbracht hat, eine Kippe mit mehr oder minder verbotenem Inhalt zwischen sich. Warum hat der Kontakt nicht gehalten? Inzwischen sind sie nicht nur fremd, sie könnten sich in einem Paralleluniversum aufhalten, so weit entfernt sind sie.

Andere hat man zwischendurch mal gesehen, von ferne oder auch von nahem, und man ist ganz dankbar, dass nicht jedes Gespräch mit „Und, was machst du so?“ beginnt.

Ein paar Leute sind so ehrlich, dich mit „Und, wer bist du?“ anzusprechen.


Die merkwürdigsten Freundschaften scheinen sich gebildet zu haben, da sind Menschen, die sich früher mit dem Arsch nicht angeschaut haben, plötzlich Nachbarn oder Arbeitskollegen geworden, und sie vertragen sich gut.

Da steht ein alter Schwarm herum und schaut verloren- was fand man eigentlich an dem oder der? Sie (oder er) hat immer so selbstbewusst gewirkt, und so über-den-Dingen-stehend. Irgendwas ist bestimmt passiert, dass er oder sie so -ja, geschlagen und besiegt aussieht.

Ein paar Leute, früher unauffällige Mitläufer, scheinen Karriere gemacht zu haben, zumindest sehen sie so aus, mit ihrer verbindlichen Ausstrahlung und modischen Aufmachung. Sie sind extra aus Mailand, Seattle oder Wellington eingeflogen.


Man setzt sich zum Essen, und immer noch ist kein Hauch von Mord in der Luft, kein Polizeieinsatz droht.

Zivilisierte Gespräche sind an der Tagesordnung, und an einigen Tischen sieht man altbekannte Gruppen sich neu formieren. Ein häufiges Thema sind Kinder- und es gibt die, die hierzu eisern schweigen.

Bei den Männern scheinen sich Berufsgruppen gefunden zu haben. Hier die Techniker, da die Geisteswissenschaftler. Die Mediziner. Die Lehrer.

Von den Gesichtern fallen Jahre ab, und man fragt sich, ob man selbst auch so hinter Masken verborgen ist- und was nötig ist, um wieder anknüpfen zu können an ein früheres Selbst. Ein früheres Ich, unterstützt von ein wenig mehr Lebenserfahrung und Selbstbewusstsein, sowie ein paar anscheinend unverzichtbaren sozialen Fähigkeiten. Wie zum Beispiel der, mit jemandem zu reden, dessen Gesicht man kennt, aber mit dem man in neun oder zehn Schuljahren kein einziges Wort gewechselt hat. Eigentlich ganz nett, der- oder diejenige- warum hat man sich früher nichts zu sagen gehabt?


Irgendein Typ ist Polizist geworden, und einen kurzen Moment streift einen die Idee, wie es wäre, wenn diese aufgetakelte Tussi schräg gegenüber (jep, die gleiche wie vor 25 Jahren) plötzlich mit der Nase im Frikassee liegen würde. Natürlich liegt sie nicht, sondern sitzt weiterhin und unterhält mit silberheller Stimme die Tischgemeinschaft, indem sie von ihrem letzten Einkaufsbummel in Düsseldorf erzählt- „...so provinziell, meine Liebe...“

Ist die faltenfreie Stirn auf Botox zurückzuführen, oder darauf, dass sie einfach niemals nachdenklich dieselbe kraust?

Mit einem Glas bewaffnet geht’s zurück an den Stehtisch, an dem sich die alte Liebe festhält. Jetzt bloß nicht fragen, was er macht- das ist langweilig. Und uncool. Und vielleicht auch nicht sehr klug, schließlich sieht er/sie nicht besonders glücklich aus...

Die alte Liebe lächelt, und man fühlt sich wieder jung. Das Gespräch wird intensiv, und die alte Verbundenheit ist schnell wieder da, ohne die Unsicherheiten und Vorbehalte, die einen früher hemmten. Die Anderen treten in den Hintergrund und bald wechselt ihr an den Tisch in der Ecke, jeder mit seinem Bier vor sich. Es wird spät und später. Die Ersten gehen, verabschieden sich unter Gelächter und dem Austausch von Email-Adressen.

Ihr sitzt und redet.

Und redet.

Irgendwann kommt die Kellnerin, und ihr registriert, dass außer euch nur noch drei andere Leute da sind.

Geht man noch woanders hin?

Nein.

Man verabschiedet sich. Mit Bedauern, aber das tut man.

Tauscht man Mailadressen aus?

Vielleicht.

Bleibt man in Kontakt?

Vielleicht. In einem Paralleluniversum.





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Selbstverständlich alles reine Fiktion- wie immer :-)
Gruß und schönen Samstag noch,

Lily

Donnerstag, 10. Januar 2008

The Things We Do For Love

Akt 1.


Die Tür zur Wohnung öffnet sich. Eintritt der Hauptmieterin, ca. 44, gefühltes Alter: 88. Eine Schultertasche baumelt rechts, eine Einkaufstüte (irgendwie doch jeden Tag voll) links. Hysterisches Auseinanderrennen der hinter der Tür versammelten kätzischen Bewohneranteile. Die ältliche Perserdame auf dem Stuhl in der Diele blinzelt phlegmatisch. Der sieben Monate alte Zwergkater kommt angehüpft und gibt Laute von sich, die schwer an einen Welpen denken lassen; Neufundländer oder Rhodesian Ridgeback. Was großes, definitiv Nichtfelines.

Die Hauptmieterin antwortet mit einem Mix aus Babysprache und Miauen. Ja. Ich weiß.


„Na, Ihr Kackbären? Alles im grünen Bereich? Keine Tapeten gefressen heute?“ (Wer Tapeten frisst, oder Topfpflanzen, ist schon satt und kriegt nichts mehr. Also gibt es keiner zu.)


Taschen und Tüten werden abgestellt, und sofort von einer vierbeinigen, befellten Gruppe Sicherheitsbeamter in Angriff genommen. Hauptmieterin bringt (vor allem und zuerst) den Käse in Sicherheit. Während sie die Tür des Kühlschranks öffnet, versucht der Neufundländer-Katzenmischling in denselben zu klettern. Abruptes Schließen des Kühlgerätes verbietet sich, denn je größer der Nachwuchs wird, desto eher geraten seine Ohren in die schließende Tür, was unmittelbares Katzenelend zur Folge hat und demnach zu vermeiden ist.

Dann wird die Jacke abgelegt, der Rest der Einkäufe verstaut und -Trommelwirbel- die Hauptmieterin wechselt in die Rolle der Dosenöffnerin. Zwei Dosen Katzenfutter müssen geöffnet und unter Gefahr für Leib und Leben gerecht auf vier Näpfe verteilt werden. Die Jungs im Zoo haben Gitter zwischen sich und den Tigern, und sie kriegen Geld dafür. Ich nur Kratzer.

Während die Dosenöffnerin die Dosen öffnet (tunlichst auf der Arbeitsplatte und nicht auf dem Boden, denn den Sprung auf die Arbeitsplatte kriegen nur zwei von vieren ohne Probleme geregelt) verteidigt sie sich mithilfe Gabel-unterstützter Schimpfattacken.


„He, ihr Kackbären, es IST langsam gut. Weg da. Ich komm da nicht dran...“

Dann wird es Zeit, mit möglichst wenig Arbeitsschritten (also gleichzeitig) die vier Näpfe auf den Boden zu befördern.


Kurzes Philosophieren darüber, warum Katzenfutter so furchtbar auf dem Boden klebt und haftet. Außer Sekundenkleber kriegt man wirklich jedes andere Zeug besser wieder weg.


Während die Plüschnasen je nach Charakter mehr oder minder gierig über ihren Napf herfallen (oder, in Eddies Fall, versuchen, ihn in die Fliesen zu scharren- ich bevorzuge es, das als „Aufbewahren für später“ und nicht als „Was mutet die Alte uns heute wieder zu“ zu interpretieren) macht die Dosenöffnerin sich daran, notwendige Hausarbeit zu beginnen. Wäsche waschen. Irgendwas aufräumen. Oder vielleicht einfach nur unzeremoniell auf der Couch zusammenbrechen.



Akt 2


Nachdem die schlimmsten Erschöpfungszustände behoben sind, kann zunehmend an a) weitere Freizeigestaltung oder b) an die Bereitung der eigenen Nahrung gedacht werden. Da die Dosenöffnerin selbst nicht dazu neigt, Dosen zu öffnen, wenn es an ihr eigenes Abendessen geht, wird also gekocht. Oder einfach zur Anfertigung einiger belegter Brote geschritten.



Die Gefahren bei der Öffnung des Kühlschranks sind unverändert- denn egal, ob das Katzentier gerade gegessen hat oder nicht: Es will immer in den Kühlschrank klettern. Also heißt es: Schnell sein.

Mentales Training hat sich hier als unverzichtbar erwiesen. Memorieren des Inhalts besagten Gerätes, gedankliches Lokalisieren der gewünschten Nahrung, anschließendes Anpeilen der Küchenecke, in der der Kühlschrank steht, und blitzschnelles Vorgehen ist hier gefragt.


Einmal der Kälte entnommen, ist der weitere Umgang mit den Nahrungsmitteln stark von deren Eigenschaften abhängig.

Gemüse, Zerealien, Fette und Gewürze sind da unkritisch.

Lebensmittel tierischen Ursprungs sind bedroht. Durch jahrelanges Training haben die Katzen es geschafft, zu unterscheiden, ob gerade ein oder zwei Putenschnitzel oder eine Packung Champignons auf dem Schneidbrett landen- vollkommen gleichgültig ist es, dass beides in identische Schalen verpackt ist. Ich wette, sie trainieren heimlich mit dem Kleinen, wenn ich auf der Arbeit bin.

Sobald irgendein Infraschall oder was auch immer „Fleisch“ signalisiert, sind sie da, und die Dosenöffnerin ist gezwungen, unter herzzerbrechenden Blicken aus acht Katzenaugen ihr Werk zu vollenden. Dabei sollte sie darauf achten, niemals Brett oder Fleisch unbeobachtet zu lassen- dann ist es nämlich weg.

Einfach so.

Auch das Verfrachten des Fleisches in die Pfanne wird gern mit Blicken und vorwurfsvollem Geschrei kommentiert. Mein Verweis auf die zu dem Zeitpunkt meist noch nicht leeren Näpfe mit dem eigens unter Opfern herbeigeschleppten Futter darin wird mit eisigem Schweigen kommentiert.


Bei Eiern haben sie noch nicht raus, dass auch mit dem Inhalt der Schale etwas anzufangen ist. Die Schalen als solche interessieren sie sehr- und diese sollten niemals unbeaufsichtigt herumliegen, beispielsweise wenn man plötzlich gezwungen ist, den Frühstückstisch zu verlassen. Dann sind sie nämlich weg, die Eierschalen, und tauchen erst Tage später unter irgendwelchen Möbeln wieder auf.


Käse reiben ist auch so eine Sache: Sie lieben Käse. Sobald auch nur das kleinste Krümelchen auf dem Boden landet, brechen größere Fehden aus, wer es haben darf. Im Gegensatz zu der Erziehung von Hunden, denen man sowas auch noch mal weg nehmen kann, ist so ein Versuch bei Katzen als leichtsinnig zu klassifizieren. Da hat man eher die Krallen im Handrücken, als so ein Stück Käse wiederzukriegen. Und sobald man sich bückt, um es aufzuheben, steht ein anderer oben auf der Arbeitsplatte und bedient sich aus der Schüssel mit dem geriebenen Käse. Oder rast mit dem erbeuteten ganzen Stück davon.


Ist das Essen zubereitet, kommt es zu tumultuösen Szenen. Am Küchentisch muss die Dosenöffnerin nur darauf achten, möglichst nicht in beiden Händen Besteck zu benötigen, denn sonst ist es schwierig, mit einer Hand zu essen und mit der anderen die Katzenköpfe, die der Reihe nach über der Tischplatte auftauchen, wieder zu verscheuchen. Jeder sitzt auf einem Stuhl und sie versuchen abwechselnd, hungrig auf den Teller zu schielen. Unter dem Tisch, von Stuhl zu Stuhl hüpfend, ist der Kleine unterwegs, und unterstützt seine größeren Kumpel. Emily sitzt auf dem Boden neben dem Stuhl der Dosenöffnerin und maunzt leise.


Sollte die Dosenöffnerin planen, ihr Abendessen am Wohnzimmertisch einzunehmen, ist es schwieriger, weil die Viecher mit einem Satz auf denselben springen. Ja. Ich weiß.

Während sie den Hintern von der Couch hebt, um den einen da wieder runterzuschubsen (sonst kommt sie an den nicht dran- und vage Verscheuchbewegungen werden schon seit längerem nicht wirklich ernst genommen), sieht sie die Pfote nicht, die sich langsam über die Tischkante und den Tellerrand auf das Käsebrot zu bewegt. Ein Versuch, die solchermaßen geangelte Scheibe wieder zu ergattern, sollte immer nur unter Mitnahme aller Lebensmittel vom Tisch unternommen werden. Sonst findet man nicht mal mehr Kekse oder Nüsse wieder.

Sofern die Mahlzeit ohne schwerwiegende Verletzungen beendet werden konnte, folgt



Akt 3



Das gemütliche Fernsehen/Lesen/Telefonieren/Bloggen



Fernsehen ist so eine Sache. Darin steckt das Wort „sehen“, und das ist auch das Ziel des ganzen, mein lieber Eddie. Das heißt nicht „Katzenbreitseitesehen“. Auch wenn du dich immer genau dann direkt vor mich stellst, wenn der Krimi gerade spannend, weil wortlos ist.

Ich weiß schon, warum sie diese Kommentierungen für Sehbehinderte haben. So kriegt man vom Tatort auch was mit, wenn Eddie Zuneigung braucht.


Lesen. Nun ja. Das wär noch ein Thema für eine Diplomarbeit in Verhaltenslehre, meine lieben Biologen und Psychologen. Wieso legen sich Katzen IMMER auf die Seite, die gerade gelesen wird? Ich habe es versucht, und mehrere aufgeschlagene Bücher auf den Tisch gelegt. Paul nimmt IMMER das Buch, in dem ich tatsächlich lese.


Telefonieren- da steckt Kommunikation drin, meine Damen und Herren, Verständigung!

Da steckt nicht drin, dass, unmittelbar nachdem der Apparat geschellt hat, ein irres Toben, Kreischen und Schreien, interpunktiert von Rottweiler-artigem Knurren, anhebt. Katzen rasen durch die Wohnung, fliegen aus den Kurven und knallen mit Wucht vor Heizkörper, Wände und Möbel. Altglas erzittert an seinem Abstellort, oder fällt mit aussagestarkem Klappern einfach um. Die Dosenöffnerin, verschreckt auf ihrem Sofa, wird als Sprungbrett missbraucht, während die wilde Jagd tobt. Dann ein Kreischen- ein Klirren- und irgendwas Zerbrechliches hat soeben sein Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten. Erschrecktes Augenöffnen der lieben Emily, die neben der Dosenöffnerin ihren Feierabend genießen wollte. Dann schläft sie wieder ein, weil die Dosine schon unterwegs ist, zu retten, was zu retten ist.

Während sie weiter telefoniert und mit einer Hand die Trümmer aufhebt, den Staubsauger holt und mittels wüster Beschimpfungen versucht, die Kater am Spiel mit Scherben zu hindern, nutzen im Wohnzimmer zurück gebliebene Teile der kätzischen Bewohnerschaft die Chance, Knabberartikel abzuräumen. Wenn sie sie nicht fressen, schubsen sie sie unter die Couch, wo man sie erst lange Zeit später wieder findet. Paul taucht seine Pfote in den Tee und genießt das Süßstoffaroma. Wenn er genug Zeit hat, schleppt er ein Spielzeug an und ertränkt es in der Tasse.

Sofern Kerzen brennen, ist es spätestens JETZT unabdingbar, zurückzukehren. Oder der Ausdruck „Gesengte Katze“ erlangt traurige Aktualität.


Tja, und da ist dann noch das Bloggen. Die Meute hört das Hochfahren des Rechners, und entert das Arbeitszimmer („Chez Kratzwald“). Selbst Emily erhebt sich von ihrem Schmerzenslager und wandert los, wobei sie als Alterspräsidentin den Platz auf meinem Stuhl in Anspruch nimmt. Das führt zu leichten Krämpfen im Rücken und Sehproblemen, weil nur die vorderste Stuhlkante frei ist. Und dann sitzt man nun mal ganz, ganz nah am Monitor.

Karl will auf den Schoß - meinetwegen. Da stört er nicht. Ab und zu droht er abzurutschen, dafür hat der liebe Gott ihm seine Krallen gegeben. Mit denen hält er sich dann fest. Enjoy!

Ich schreite nur ein, wenn er anfängt, auf meinem Pumpenkatheter herumzukauen. Da bin ich eisern, und da gibt’s auch was auf die Nase, wenn er nicht aufhört.

Paul legt sich auf das Maus-Pad. Bevorzugt dann, wenn meine Hand auf der Maus liegt, da kann er sie wärmen. Ich sage nur: Neun Kilo.

Eddie hingegen... Eddie liebt den Monitor. Allein schon deshalb wurde der letzte Röhrenmonitor nicht durch ein TFT-Display ersetzt. Der dicke 17-Zöller hält ihm stand, und er wärmt ihn so schön, dass das Katzentier meist drauf einschläft. Ebenso meist hängt sein Schwanz quer über der Mattscheibe. Wenn ich versuche, das Ding aus dem Blickfeld zu schieben, ist das Auftakt für eine Runde Schwanzfangen. Sehr zur Freude des sonstigen Equipments auf dem Schreibtisch; Boxen zum Beispiel. Die fallen dann schon mal runter.


Warum, warum um alles in der Welt habe ich Katzen? Ich habe keine Gardinen, keine Zimmerpflanzen, keine Stehlampen, keinen Weihnachtsbaum, keinen Plattenspieler... denn ich habe Katzen. Ich habe keine Allergiker zu Freunden, ich habe seit Jahren keine Nylons mehr getragen, und ich finde öfter als mir lieb ist, Spielzeugmäuse in meinen Schuhen. Sowie schon mal Emilys Hinterlassenschaften NEBEN der Katzenkiste. Neben der frisch gereinigten Katzenkiste.


Unweigerlich kommt gegen halb elf abends diese Frage in meinen Sinn. Und nur ein erneutes Kreischen aus der Küche bringt mich halbwegs auf andere Gedanken...


Später dann, viel später, liege ich auf meinem Sofa, und in meiner Kniekehle liegt Karlchen und schläft. Eddie hat sich vor meinem Bauch eingerollt und schnurrt. Emily sitzt auf der Lehne neben mir und putzt sich, und Paul hat es sich auf meinen Beinen bequem gemacht und schnarcht leise. Ab und zu macht er ein Auge auf, um zu schauen, ob ich noch da bin.

Deshalb habe ich Katzen.


Sonntag, 6. Januar 2008

Liebe ist...

Mein Auto ist ein 93er Golf III, und ich liebe ihn. In intimen Momenten nenne ich ihn Moppel. Aber richtige Wärme wollte sich nicht mehr so recht zwischen uns einstellen, und ich stellte fest, dass jedes Treffen zwischen uns beiden mit immer mehr Vorbehalten meinerseits behaftet war...

Natürlich habe ich darüber nachgedacht, wessen Schuld das ist, und war schon halb und halb dazu bereit, zu akzeptieren, dass sich unter dem Alltagsstress wieder eine Beziehung verabschiedet. Tragisch, und irgendwo auch bitter, aber ich war nicht bereit, Arbeit und Zeit und emotionale Energie an etwas ohnehin Aussichtsloses zu investieren.

Irgendwie konnte meine grübelnde Zentralinnerei jedoch auch das Thema nicht einfach so versenken und vergessen- oh nein, so bin ich nicht gestrickt. Und so sah meine Heimatstadt und die anderen Orte, an die der Moppel mich trug, mich immer öfter über das Lenkrad gebeugt, eine Hand ausgestreckt über die Lüftungsschlitze an der Windschutzscheibe, und voll Trauer und vorweg genommenen Abschiedsschmerzes die Eiseskälte registrieren, die diesen scharfen Abgründen entstieg (Man kann auch besser sehen, wenn man näher an die Scheibe ran geht).

Ich habe für solche Momente immer ein paar Beziehungsorakel. Je nach zugrunde liegender Problematik unterscheide ich da fein, wen ich in Anspruch nehme.

Geht es um meine eigenen Verhaltensweisen, habe ich da ein paar weibliche Gewährsleute, die mir bestätigen sollen, dass ich mich noch im Rahmen des ganz normalen Wahnsinns bewege. Da geht’s dann um Themen wie „Abwasch und Selbstmotivierung“ oder die Frage, ob man, um modische Bekleidungs-Accessoires anlegen zu können, vorher zum plastischen Chirurgen muss (Legwarmers oder doch lieber tot überm Zaun hängen?)

Für andere Fälle habe ich da ein paar männliche Ratgeber. Zu allererst sei der genannt, Der Immer Dabei Ist (und wenn er das mal nicht ist, ruf ich ihn direkt anschließend an). Der muss für so einiges her halten. Moralische Bewertung von one-night-stands, unmögliches Verhalten gleichaltriger, zweit- und drittgradig Verwandter, deren erzieherische Kompetenz, gemeinsam durchlittene früh- und spätkindliche Traumatisierungen (ja, wir stammen aus der gleichen Familie) – alles ruft reflexartiges Herumdrücken auf meinen Handytasten hervor. Oder einen energischen Griff zum Festnetz.

Für EDV-Probleme gibt’s da einen Arbeitskollegen. Wenn ich den frage, dann aber erst, wenn mir wirklich nichts mehr einfällt. Meist bringt die Nachfrage dann auch nicht mehr viel.

Für Ratschläge aus noch mehr Distanz gibt’s da noch einen Arbeitskollegen, der schon mal herhalten muss, vor allem für Beziehungsprobleme der endzeitlichen Art.

In dieser neuen unguten Entwicklung zunehmender Kühle zwischen dem Moppel und mir waren sie alle mehr oder minder ratlos. Nur mit dem, Der Immer Dabei Ist (wenn du nicht aufpasst,wirst du hier zum DIDI) hatte ich einen Gedanken, der in etwa in die Richtung ging, die wir gestern dann auch eingeschlagen haben. Da wir jedoch beide keine KFZ-Therapeuten sind, habe ich zuvor sämtliche anderen männlichen Ratgeber konsultiert, die mir vor die Füße kamen. Alle hatten ein trauriges Lächeln und ein „kaputter Wärmetauscher“ im Angebot. Ein weiterer von mir angegangener wirklicher Fachmann, der sonst alle Autoprobleme für mich löst, und das auch kompetent tut, meinte sowas auch, und wollte sich ohne nähere Untersuchung des Moppels auf keine weitere Diagnostik am Telefon einlassen. Und wer fährt schon gern in die Werkstatt?

Mal abgesehen von den Kosten.

Jedenfalls haben der DIDI und ich dann gestern das Kühlmittel kontrolliert, und einen beklagenswerten Mangel desselben festgestellt. Irgendwann in grauer Vorzeit hatte ich irgendwo mal gehört, dass ein Kühlmittelmangel tatsächlich Heizungsprobleme zur Folge haben kann, also haben wir zwei unverzagt Kühlerfrostschutz beschafft und mit Wasser vermischt und eingefüllt. Mit dem Ergebnis, dass der Moppel mir zunächst weiter eine kalte Schulter zeigte. Grmpf. Nachdem ich jedoch dann auch tatsächlich losgefahren bin (während der Auffüllaktion dudelte der Motor munter im Leerlauf) sprang die Heizung dann jedoch an. Und blieb heiß. Egal, ob das Gebläse hoch oder niedrig eingestellt war.

Einfach wunderbar, mit warmen Fingern Auto zu fahren.

Zudem blieb die Temperaturanzeige konstant in den Bereichen, in denen sie bleiben sollte- was vorher nicht der Fall war.

Des Rätsels Lösung hat dann im Nachhinein das Große Ominöse Orakel Ganzheitlicher LebensErfahrung (die alte Tante Google) ausgespuckt. Wenn ich Golf III und Kühlmittel und Heizungsprobleme eingebe, lande ich auf diversen Forumsseiten, nach deren kursorischer Lektüre es offenbar so ist, dass bei zu niedrigem Kühlwasserstand der Wärmetauscher der Heizung schnell mal nicht mehr versorgt wird. Vor allem, weil der Motor seine Wärme erstmal selbst braucht, und total egoistisch ist, wenns darum geht, ihn gegen Überhitzung zu schützen. Dann gibt er einen Scheißdreck auf die kalten Finger der Moppel-Fahrerin und kümmert sich nur noch um sich selbst. Die technischen Details hab ich schon wieder vergessen, aber sie klangen logisch. Da gibt’s wohl irgendso eine Klappe oder ein Ventil oder so. Das erklärte in Grenzen auch, warum manchmal ein laues Lüftchen die Windschutzscheibe hochstieg, wenn man ordentlich lange gefahren war. Dann stieg vermutlich der Druck im System durch das sich erhitzende Kühlmittel so an, dass es für ein bisschen Wärme in der Heizung reichte. Ein Einschalten des Gebläses bewirkte jedoch ein unmittelbares Absinken der Temperatur, wie ja die durch die Heizung entnommene Wärme immer auch den Motor kühlt, und man kam wieder mit kalten Fingern an.

Die Beziehung zwischen mir und dem Moppel, in letzter Zeit etwas strapaziert, trägt demnach alle Anzeichen einer neu erwachten Liebe.

Tragisch ist, dass ich wieder was gelernt habe:

Es hat keinen Sinn, Teile seines Lebens und seines Alltags als „Männeraufgaben“ zu definieren. Davon gibt’s in meinem Leben nicht allzuviele. Die meisten Dinge kann ich selbst und mach sie auch selbst. Nur Autos haben bisher bei mir fahren müssen, und wurden ab und zu betankt, manchmal kriegten sie auch Wasser für die Scheibenwaschanlage (Gestern!!! Plus Frostschutz!!!111elf).Vielleicht mal neue Wischer. Mein alter Kadett, der mehr Öl als Sprit brauchte, kriegte auch das, weil er danach schrie.

Alles andere war in ein bequemes „Problem-Anderer-Leute-Feld“ abgespalten. Eben als Männeraufgabe. Besonders dämlich ist das dann, wenn man gerade keinen hat, oder keinen, der Ahnung von sowas hat.

Und da ich weiß, dass Intelligenz hilft, Routinen aber Leben retten, habe ich einen weiteren Vorsatz für mein Leben ab heute:

Demnächst beim Tanken auch mal nach Kühlwasser und Öl und sowas schauen, und den Reifendruck kontrollieren. Vielleicht schaffe ich es mal, nicht immer noch mehr Luft abzulassen als ohnehin schon nicht drin ist. Und vielleicht kriege ich auch mal einen Satz hin, der nicht ein Germanisten-Alptraum ist.

Schönen Sonntag :-))